Der Segen der Pflanzen

Der Segen der Pflanzen

Der Segen der Pflanzen
… und die Zahl 9.

Welche Bedeutung die Zahl Neun für unsere Vorfahren hatte, wird im angelsächsischen Neunkräutersegen deutlich. Dieser wurde im 11. Jahrhundert in Wessex niedergeschrieben und ist mit Sicherheit viel älter. Der Zaubergesang aus dem Lacnunga Manuskript (Heilfibel) ist fast vollständig erhalten und besteht aus Kräuterbeschwörung, Rezept und Bannworten.

Die heilenden Zaubersprüche wurden immer mündlich weitergegeben und erst mit der Christianisierung in Klöstern von Mönchen aufgeschrieben. Sie beinhalteten Pflanzenbeschwörungen, Rezepturen und waren eine Art mündlicher „Beipackzettel“. Bei der Anwendung wurden sie gemurmelt und wirkten wie ein Mantra. Somit regten sie die Selbstheilungskräfte an und erzielten mit der gleichzeitigen Anwendung der Pflanzen eine doppelte Wirkung. Einfluss auf die beabsichtigte Wirkung hatte, neben der Kraft der Worte, auch die Handlung und die Naturessenz. Dieses einheitliche Ineinanderwirken von heidnischen Ritual und gezieltem Gebrauch natürlicher Kräfte zeugt vom umfangreichen Heilwissen unserer Ahnen.

Ein noch heute aktueller Kräuterzauber ist die Frühjahrskur mit Wildkräutern, die uns beim Entschlacken helfen und unser Immunsystem stärken.

Im Neunkräutersegen werden neun heimische Pflanzen beschrieben, die in näherer Umgebung des Menschen wachsen. Es sind gewöhnliche Wildkräuter, die auf Wiesen, Wegen, Waldrändern, am Zaun und in der Hecke zu finden sind. Sie besiedeln Flächen, die Schäden durch häufiges Betreten aufweisen, sowie durch Umweltgifte und Umwelteingriffe gestört sind. Diese sogenannten Ruderalpflanzen folgen dem großen Gesetz der Natur, die Wiederherstellung des Gleichgewichts. Sie heilen aber nicht nur den Boden, sondern geben ihre enorme Widerstandskraft und Vitalität an den Menschen weiter.

Wildkräuter siedeln sich an und breiten sich auch dort aus, wo der Mensch aus dem Gleichgewicht geraten ist. Sie bieten sich als Nahrung und Heilmittel an. So wie sie ein Teil der Selbstheilungskräfte der Natur sind, so aktivieren und unterstützen sie die Selbstheilungskräfte des Menschen.

Unsere megalithischen und später keltischen und germanischen Vorfahren verehrten diese Wildkräuter besonders und sahen in ihnen hilfreiche Pflanzengeister. Sie hatten einen festen Platz in den Riten, Zeremonien, Sagen und in der Heilkunde.

Der alte Zaubergesang schließt mit den Worten:

„Nun haben diese neun Kräuter Macht
gegen neun böse Geister
gegen neun ansteckende Krankheiten
gegen das stinkende Gift
gegen das wütende Gift
gegen das gelbe Gift
gegen das grüne Gift
gegen das dunkle Gift
gegen das braune Gift
gegen das purpurne Gift
gegen Wurmblattern
gegen Giftnattern
wenn irgendein Gift kommt von Osten geflogen
oder irgendeins von Norden kommt
oder irgendeins von Westen über die Menschheit.“

nach Wolf – Dieter Storl